vernetzungen
Drei Seiten der Kapelle hier bestanden aus soliden Blockwänden. Die vierte Seite, ganz aus Glas, öffnete sich auf eine von Mammutbäumen umsäumte Lichtung hin. Die Bäume waren so hoch, dass trotz dieser hohen Fenster von den näheren Bäumen nur die riesigen Säulen des Baumrumpfes zu sehen waren. Die Zweige darüber konnten nur erahnt werden durch die Richtung, in der sie die Sonnenstrahlen auf den Waldboden durchscheinen ließen. Ja, selbst die Natur, welche «Our Lady of the Redwoods« (das Kloster in Kalifornien, in dem wir uns aufhielten) umgab, trug zur Atmosphäre des Gebets bei, ganz zu schweigen von den Frauen, welche hier beten und ihrer charismatischen Äbtissin. An diesem Tag hatten wir als Evangelium das Gleichnis vom Reich Gottes als einem großen Hochzeitsfest gehört. Gleichzeitig mit dem Kommuniongang begannen fliegende Ameisen durch den ganzen Wald auszuschwärmen und erhellten ihn mit Zehntausenden von glitzernden Flügelchen wie in einem Hochzeitszug. Alles "vernetzt".
Dort zu beginnen, wo du bist und dich der Vernetzungen bewusst zu werden, war Thomas Mertons Zugang zum Beten.
"Wir sind so von Mittel und Zweck indoktriniert«, sagte er, »dass wir nicht erkennen, dass es eine andere Dimension im Gebetsleben gibt. In der Technik habt ihr diesen horizontalen Fortschritt, wo man an einem Punkt beginnen muss und sich dann zu einem weiteren bewegt, und wieder zu einem weiteren. Aber das ist nicht der Weg, um ein Leben des Gebets aufzubauen. Im Gebet entdecken wir, was wir bereits haben. Ihr beginnt, wo ihr seid und ihr vertieft, was ihr bereits habt, und ihr erkennt, dass ihr bereits da seid. Wir haben bereits alles, aber wir wissen es nicht und erfahren es nicht. Alles wurde uns in Christus gegeben. Alles, was wir brauchen, ist zu erfahren, was wir bereits besitzen."
Aus: David Steindl-Rast - VERNETZUNGEN - Eine Begegnung mit Thomas Merton